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Digitale Souveränität: Braucht Europa ein eigenes Smartphone-Ökosystem?
Die EU hat alle Möglichkeiten, ein eigenes Smartphone-Ökosystem auf die Beine zu stellen. Wir haben einen Plan, wie das gelingen könnte.

Die digitale Landschaft wird von wenigen US-amerikanischen und chinesischen Technologieunternehmen dominiert. Apple, Google, Meta und Microsoft bestimmen die digitale Infrastruktur und die wichtigsten Dienste, die von Milliarden Menschen weltweit genutzt werden. Gleichzeitig werden geopolitische Spannungen und die wachsende Abhängigkeit Europas von außereuropäischen Konzernen zunehmend als Problem wahrgenommen. Diese Abhängigkeit betrifft nicht nur Datenschutz und digitale Infrastruktur, sondern auch wirtschaftliche und sicherheitspolitische Aspekte. Die Frage liegt auf der Hand: Sollte Europa ein eigenes Smartphone-Ökosystem aufbauen, um seine digitale Souveränität zu stärken?
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Die Rolle europäischer Alternativen
Europa hat bereits einige Initiativen gestartet, um digitale Unabhängigkeit zu erlangen. Ein Beispiel ist das niederländische Fairphone, das für Nachhaltigkeit und eine lange Lebensdauer steht. Das Gerät setzt auf ein modulares Design und faire Materialien, während es Software-Updates über einen langen Zeitraum garantiert. Trotz dieser Vorteile bleibt das Fairphone jedoch stark in das Google-Ökosystem eingebunden, da es auf Android basiert.
Andere europäische Alternativen haben wir hier schon vorgestellt. In Kürze: Vivaldi ist eine Browser-Alternative zu Chrome und Safari, während ProtonMail aus der Schweiz eine sichere, datenschutzfreundliche Alternative zu Gmail darstellt. Dienste wie Nextcloud und OwnCloud ermöglichen eine private Cloud-Lösung, unabhängig von den Servern großer Tech-Konzerne. Doch trotz dieser Initiativen bleibt die zentrale Herausforderung bestehen: Ein vollständiges, europäisch kontrolliertes Smartphone-Ökosystem existiert bislang nicht.
Warum braucht Europa eine eigene digitale Infrastruktur?
Die zunehmende Kontrolle der digitalen Welt durch US-amerikanische und chinesische Unternehmen birgt Risiken:
Datenschutz und Überwachung: Europäische Datenschutzstandards wie die DSGVO stehen oft im Widerspruch zu den Praktiken großer US-Konzerne, die Daten für Werbezwecke nutzen oder an Behörden weitergeben müssen.
Wirtschaftliche Abhängigkeit: Europäische Unternehmen sind stark von den Plattformen und Softwarelösungen aus den USA abhängig, was langfristig zu Wettbewerbsnachteilen führen kann.
Sicherheitsrisiken: Die Kontrolle kritischer Infrastrukturen durch außereuropäische Konzerne birgt Risiken für Cybersicherheit und geopolitische Abhängigkeiten.
Ein eigenes Ökosystem könnte diesen Herausforderungen entgegenwirken und Europa mehr Kontrolle über seine digitale Zukunft geben.
Bausteine eines europäischen Smartphone-Ökosystems
Ein solches Ökosystem müsste mehrere Kernkomponenten umfassen:
Ein alternatives Betriebssystem: Derzeit dominieren Android und iOS den Markt. Ein europäisches Open-Source-Betriebssystem auf Basis von Android ohne Abhängigkeit von Google-Diensten wäre ein erster Schritt.
Ein eigener App Store: Derzeit kontrollieren Google und Apple die Verbreitung von Apps und setzen hohe Gebühren für Entwickler durch. Ein europäischer Store könnte unabhängige Apps fördern.
Eigene Cloud-Dienste: Eine Alternative zu Google Drive, iCloud oder Microsoft OneDrive wäre essenziell, um Nutzerdaten sicher und unabhängig zu speichern.
Digitale Behördendienste: Ein europäisches System könnte mit Diensten für Identitätsnachweise, Steuererklärungen und Verwaltungsprozesse verknüpft werden.
Ein dediziertes Sicherheitskonzept: Um Vertrauen zu schaffen, müsste das System strengen Sicherheitsstandards entsprechen und Transparenz in der Datenverarbeitung gewährleisten.
Herausforderungen bei der Umsetzung
Die Realisierung eines europäischen Smartphone-Ökosystems ist eine gewaltige Herausforderung. Die Marktbeherrschung durch Google und Apple bedeutet, dass ein neues System erst eine kritische Masse an Nutzern und Entwicklern gewinnen müsste. Hierbei spielen auch wirtschaftliche Anreize und regulatorische Maßnahmen eine Rolle.
Ein weiteres Problem ist die Finanzierung: Während Unternehmen wie Apple oder Google Milliarden in die Entwicklung ihrer Software investieren können, fehlt es europäischen Firmen an der notwendigen finanziellen Unterstützung. Eine Möglichkeit wäre ein gemeinsames europäisches Technologieprogramm, das von der EU finanziert wird. Frankreich hat bereits angekündigt, über 100 Milliarden Euro in eine eigene KI-Infrastruktur zu investieren. Ähnliche Initiativen könnten im Bereich der mobilen Technologie notwendig sein.
Fazit: Zwischen Vision und Realität
Ein vollständig europäisches Smartphone-Ökosystem wäre ein ambitioniertes, aber nicht unmögliches Projekt. Die Vorteile wären enorm: mehr Datenschutz, weniger wirtschaftliche Abhängigkeit von US-amerikanischen oder chinesischen Konzernen und eine Stärkung europäischer Technologieunternehmen. Doch die Herausforderungen sind ebenso groß. Die Schaffung eines eigenen App-Ökosystems, der Aufbau einer Nutzerbasis und die Überzeugung großer Hersteller zur Beteiligung sind Hürden, die überwunden werden müssen.
Dennoch zeigt sich: Wer in der digitalen Welt wettbewerbsfähig bleiben will, muss sich von der Dominanz weniger Konzerne lösen. Europa steht vor der Entscheidung, ob es in Zukunft nur die Regeln für digitale Märkte festlegt – oder selbst mit technologischen Innovationen an vorderster Front mitspielt.
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Fairphone 5 Test
"Wer jedoch primär ein Kommunikationstool sucht und dies sowohl fair als auch nachhaltig produziert wissen möchte, liegt beim Fairphone 5 goldrichtig – und das zu 100 Prozent recycelt. Noch mehr Major-Updates bietet nur das Pixel 8.”Vorstellung von Nextcloud: Die Funktionen der selbst gehosteten Cloud-Lösung
”Anwendungen für Desktopbetriebssysteme ergänzen Nextcloud: Die zur Dateisynchronisation stellt etwa die für OneDrive oder DropBox sicher, dass Clients automatisch geänderte Dateien übertragen und empfangen. Das Ganze passiert nach einer einmaligen Konfiguration automatisch und weitgehend unaufgeregt..”A first look at Europe’s alternative iPhone app stores
”While AltStore and Mobivention aren’t well known enough to inspire confidence in the same way Apple does, other big hitters might. Both the aforementioned Epic Games Store and Setapp marketplaces are on the horizon, and their higher profiles could convince people of their ability to mitigate harm and moderate disputes. Normalizing app downloads outside the App Store will also get a boost after the spring when Apple enables web distribution for large developers.”
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