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„Zu teuer, zu überladen, zu egal – Die Autoindustrie hat uns verloren“
Eine Abrechnung mit Marketingsprech, Modetrends und emotionaler Leere auf vier Rädern.

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Braucht man heute noch ein eigenes Auto? Oder reicht es, gelegentlich eins zu leihen – per App, Abo oder Carsharing? Die Frage klingt banal, trifft aber den Kern einer tiefgreifenden Veränderung: Das Auto verliert seinen Nimbus als Statussymbol. Es wird zur Dienstleistung, zur Gebrauchsware – und zunehmend zur Belastung.
Das Ende des automobilen Besitzdenkens
In Städten wie Berlin, Hamburg oder Dortmund leben viele Menschen längst ohne eigenes Fahrzeug. Carsharing, ÖPNV und Leasingangebote machen das möglich. Doch auch abseits urbaner Zentren bröckelt der Besitzanspruch. Denn das klassische Modell – Auto kaufen, jahrelang fahren, wieder verkaufen – verliert an Attraktivität. Stattdessen boomen flexible Modelle: Leasing, Langzeitmiete, Auto-Abos.
Statistisch ist der Trend eindeutig: Rund 70 % der privat zugelassenen Neuwagen in Deutschland werden geleast. Abo-Angebote ergänzen diese Entwicklung. Die Kunden profitieren von Planbarkeit, kurzen Laufzeiten und der Möglichkeit, Fahrzeuge regelmäßig zu wechseln. Im Sommer ein Cabrio, im Winter ein SUV – mobil wie beim Streaming-Abo.
Doch dieser Trend wirft Fragen auf. Wird das Auto zum Wegwerfprodukt? Was bedeutet das für Nachhaltigkeit, Wertschätzung und Infrastruktur? Und: Wie reagiert die Autoindustrie?
Preisexplosion, Marketingkrise und emotionale Leere
Ein Blick auf die Zahlen erklärt viel: Ein VW Golf kostete vor fünf Jahren noch rund 20.000 Euro in der Basisversion. Heute beginnt die Preisliste bei knapp 28.000 Euro – ohne Extras. Elektroautos liegen sogar bei durchschnittlich über 50.000 Euro. Gleichzeitig sinkt die Fahrleistung. Während Pkw in den 1960ern noch rund 20.000 Kilometer pro Jahr fuhren, sind es heute kaum mehr als 12.000. Dafür wächst der Fahrzeugbestand – mittlerweile knapp 49 Millionen Fahrzeuge in Deutschland. Doch sie werden weniger bewegt und sind im Schnitt älter denn je: 10,6 Jahre.
Der Grund liegt nicht nur in der Kaufzurückhaltung, sondern auch im emotionalen Wandel. Neue Modelle lösen kaum noch Begeisterung aus. Die Designs wirken beliebig, viele Fahrzeuge sind unerschwinglich oder technisch überfrachtet. Und das Marketing? Es erreicht große Teile der Zielgruppe nicht mehr.
Insbesondere deutsche Hersteller verlieren den Kontakt zu ihrem Kernpublikum. Kommunikation findet auf Kanälen statt, die viele potenzielle Käufer nicht nutzen – oder bewusst meiden. Pressemitteilungen verweisen auf Influencer-Kampagnen mit TikTok-Stars, deren Namen und Inhalte für Menschen jenseits der 40 keinerlei Relevanz haben. Emotionen? Nahbarkeit? Fehlanzeige.
Luxus statt Alltag: Die falsche Strategie
Viele Marken streben in die Premium-Nische. Mercedes inszeniert sich als Louis Vuitton der Straße, BMW setzt auf Performance und Audi auf Technologie. Doch sie sprechen damit immer kleinere Zielgruppen an. Die breite Mitte – das klassische Familienauto, das preiswerte Alltagsfahrzeug – wird vernachlässigt oder mit modischen Marketingbotschaften überfrachtet.
Dabei zeigen Marken wie Dacia oder Skoda, dass es auch anders geht. Klare Kommunikation, faire Preise, ehrliche Angebote. Kein Lifestyle-Gedöns, sondern solide Produkte. Das Ergebnis: stabile Absatzzahlen, hohe Kundenzufriedenheit – und in manchen Quartalen sogar mehr Gewinn als bei Porsche.
Die Zukunft ist pragmatisch – oder elektrisch restauriert
Gleichzeitig wächst das Interesse an sogenannten Restomods: alte Fahrzeuge, modernisiert mit E-Antrieb, neuer Technik und individueller Ausstattung. Wer sich keinen Singer-Porsche leisten kann, sucht nach Alternativen: gebrauchte Roadster, charmante Oldtimer, elektrisch umgebaut. Das Auto als Event – nicht für den Alltag, sondern für das Wochenende, die Landstraße, die Nostalgie.
Denn im Alltag zählt anderes: Zeit, Komfort, Vernetzung. Wer im Zug sitzt oder sich autonom fahren lässt, gewinnt Lebenszeit. Das klassische Autofahren wird zum Erlebnis – aber nur noch punktuell.
Ein Plädoyer für mehr Ehrlichkeit
Was fehlt, ist Authentizität. Viele Hersteller versuchen, mit aufgesetzter Coolness junge Zielgruppen zu gewinnen, während sie ihre eigentliche Kundschaft verlieren. Stattdessen braucht es eine neue Kommunikation, die Technik erklärt, Mobilität ernst nimmt und Lust auf Produkt und Marke macht – ohne sich im Hochglanz zu verlieren.
Die Krise der Automobilindustrie ist nicht nur wirtschaftlicher Natur. Sie ist auch kommunikativ, kulturell und konzeptionell. Wer nur Luxus und Lifestyle verkauft, verliert den Anschluss an eine Gesellschaft, die sich nach Sinn, Nachhaltigkeit und echter Mobilität sehnt.
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