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Wenn das Internet stillsteht – Europas gefährlichste Abhängigkeit

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Plötzlich ist nichts mehr erreichbar: Signal funktioniert nicht, Canva streikt, DHL und Amazon hängen fest. Selbst Videokonferenzen und Chatprogramme stehen still. Ursache ist kein globaler Hackerangriff, sondern ein Ausfall der Amazon-Web-Services – der Cloud, auf der ein Großteil des westlichen Internets läuft. Ein technischer Defekt in den USA reicht aus, um auf mehreren Kontinenten digitale Dienste lahmzulegen.

Was sich wie eine Randnotiz anhört, ist in Wahrheit ein Warnsignal von historischem Ausmaß. Es zeigt, wie abhängig unsere Gesellschaft längst von wenigen privaten Infrastrukturbetreibern geworden ist. Und wie wenig Resilienz das Netz besitzt, das einst als Symbol für Dezentralität und Freiheit galt.

Die Rückkehr der Monokultur

Das Internet wurde einmal als dezentrales System entwickelt, das selbst dann weiterlaufen sollte, wenn einzelne Server oder Regionen ausfallen. Heute ist davon wenig übrig. Drei Konzerne – Amazon, Microsoft und Google – kontrollieren den größten Teil der westlichen Cloud-Infrastruktur. Fällt einer aus, zieht er ganze Industriezweige mit in den Abgrund.

Amazon Web Services hostet unzählige Plattformen, von Alltagsdiensten bis zu sicherheitsrelevanter Infrastruktur. Dass selbst Signal, der Inbegriff verschlüsselter Kommunikation, auf den Servern eines US-Konzerns läuft, zeigt die Absurdität der Situation. Wer dort hostet, unterliegt auch US-Gesetzen wie dem „Cloud Act“, der den amerikanischen Behörden Zugriff auf gespeicherte Daten ermöglicht – unabhängig vom Standort der Nutzerinnen und Nutzer.

Die digitale Welt hat damit genau den Zustand erreicht, vor dem ihre Gründer einst warnten: Zentralisierung, Abhängigkeit und Kontrollverlust. Das Internet ist längst keine verteilte Struktur mehr, sondern eine Handvoll Rechenzentren, über die ein Strom von Daten fließt – und die mit einem Knopfdruck verstummen können.

Wenn Daten zur Energie werden

Der Vergleich mit der Stromversorgung drängt sich auf. Fällt der Strom großflächig aus, bricht das öffentliche Leben binnen Stunden zusammen. Für das Netz gilt Ähnliches. Nur dass die digitalen Leitungen unsichtbar sind und die Folgen erst spürbar werden, wenn der Alltag zum Stillstand kommt.

In Europa ist das Stromnetz durchdacht vernetzt und besitzt Redundanzen, die Ausfälle ausgleichen. Für die digitale Infrastruktur gilt das Gegenteil. Statt europäischer Kooperation und föderaler Strukturen dominieren globale Monopole, deren Rechenzentren an wenigen Standorten konzentriert sind. Das Risiko: ein „Blackout“ der digitalen Welt, ohne dass die meisten Nutzerinnen und Nutzer begreifen, wie verwundbar sie eigentlich sind.

Die Illusion der Cloud

Viele Unternehmen lagern ihre Daten und Arbeitsprozesse aus Kostengründen aus – und nehmen damit bewusst ein Risiko in Kauf. Redundante Systeme, Notfallserver oder Backups kosten Geld. In der betriebswirtschaftlichen Logik lohnt es sich häufig mehr, einen eintägigen Ausfall zu akzeptieren, als in doppelte Infrastruktur zu investieren.

Doch diese Logik ist trügerisch. Denn Cloud-Ausfälle sind längst keine seltenen Ereignisse mehr. Schon der Ausfall von Cloudflare im vergangenen Jahr zeigte, wie fragil das System ist: Innerhalb von Minuten brachen weltweit Webseiten und Dienste zusammen. Was damals als technischer Zwischenfall galt, war in Wahrheit ein Blick in die Zukunft – in eine Welt, die von digitaler Monokultur abhängt.

Digitale Resilienz – eine private Aufgabe

Resilienz beginnt im Kleinen. Wer heute arbeitet, kommuniziert oder produziert, sollte seine Daten nicht nur einem Anbieter anvertrauen. Eigene Backups, dezentrale Speicherlösungen oder ein privates NAS-System sind kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.

Das kostet Geld und Zeit, ja. Aber es ist die digitale Version des Notstromaggregats im Keller. In einer Welt, in der Daten die neue Energie sind, muss jeder für sich sicherstellen, dass diese Energie nicht versiegt, wenn ein Server in Virginia in die Knie geht.

Auch Privatnutzer sollten sich fragen, wo ihre digitalen Lebensadern verlaufen. Wer nutzt welche Cloud? Wo stehen die Server? Und was passiert, wenn sie ausfallen oder politisch abgeschaltet werden? Es sind Fragen, die bisher kaum jemand stellt – bis zum Moment, in dem plötzlich alles stillsteht.

Unser Nordstream-Moment

Die Abhängigkeit von digitalen Monopolen erinnert fatal an Europas frühere Abhängigkeit von russischem Gas. Auch damals glaubte man, billige Versorgung sei wichtiger als strategische Sicherheit. Erst als die Leitungen versiegten, begriff man, was das bedeutet.

Der Ausfall von AWS mag harmloser wirken als eine Energiekrise, aber die Parallele ist unübersehbar: Wir haben die Kontrolle über unsere digitale Infrastruktur aus der Hand gegeben. Wir speichern, kommunizieren und arbeiten auf fremdem Boden – und hoffen, dass dort niemand den Stecker zieht.

Vielleicht ist das der Nordstream-Moment des Internets: der Augenblick, in dem wir begreifen, dass Bequemlichkeit keine Strategie ist. Europa braucht eigene, souveräne Cloud-Strukturen, eigene Rechenzentren, eigene Standards. Nicht aus Protektionismus, sondern aus Vernunft. Denn wer in der digitalen Welt überleben will, muss die Kontrolle über seine Daten behalten.

Am Ende bleibt die Erkenntnis: Nicht der nächste Hackerangriff oder das nächste Update bedrohen unsere digitale Sicherheit – sondern unsere eigene Bequemlichkeit. Wir haben die Redundanz des Netzes gegen die Bequemlichkeit der Cloud eingetauscht. Und vergessen, dass Freiheit im Netz nur so lange existiert, wie wir selbst sie technisch absichern.