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Warum kritische Infrastruktur nicht in private Hände gehört

Immer mehr unserer kritischen Infrastruktur liegt in den Händen einzelner Privatpersonen. Das ist kein Problem, solange diese politisch neutral sind. Doch das ist immer weniger der Fall.

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Man stelle sich vor, ein einzelner Mann entscheidet darüber, ob ein Land Zugang zum Internet erhält. Eine Situation, die bislang in dystopischen Romanen denkbar schien, ist längst Realität geworden – im All, auf der Erde und tief verankert in digitalen Netzwerken.

Der Fall Elon Musk und Starlink liefert das prominenteste Beispiel. Was als ambitioniertes Raumfahrtprojekt begann, ist heute eine zentrale Säule digitaler Infrastruktur geworden. In der Ukraine galt der satellitenbasierte Internetdienst als kriegsentscheidend, doch sein Betrieb hängt von der Laune eines einzelnen Unternehmers ab – eines Mannes, der öffentlich mit politischen Machtspielchen kokettiert und nicht davor zurückschreckt, in laufende Kriegsereignisse einzugreifen. Dass Musk auf Knopfdruck den Zugang für ganze Regionen deaktivieren kann, zeigt: Die technische Kontrolle über globale Kommunikation liegt in privaten Händen – und damit außerhalb demokratischer Kontrolle.

Diese Entwicklung ist kein Einzelfall, sondern Teil einer umfassenden Transformation. In vielen Bereichen, die lange als staatliche Daseinsvorsorge galten – Energieversorgung, Mobilität, Kommunikation –, haben sich in den letzten Jahrzehnten private Akteure an die Schalthebel geschoben. Während in Europa noch immer ein gewisses Maß an Regulierung besteht, ist in den USA die Privatisierung von Infrastruktur weit fortgeschritten. Strom, Wasser, Telekommunikation – alles durchzogen von kommerziellen Interessen. Das Resultat: Profit statt Versorgungssicherheit, Intransparenz statt demokratischer Kontrolle.

Doch das Problem reicht weiter. Die Abhängigkeit von großen Tech-Konzernen ist tief in den Alltag westlicher Demokratien eingewoben. Social-Media-Plattformen beeinflussen Wahlen, manipulieren Diskurse und entscheiden, welche Meinungen Sichtbarkeit erhalten. Politischer Einfluss wird zur algorithmischen Entscheidung. Plattformbetreiber wie Meta, X (ehemals Twitter) oder TikTok agieren global, doch ohne global geltende Verpflichtungen. Was als harmloser Austausch begann, ist zur geopolitischen Waffe geworden.

Ein Blick nach Südafrika zeigt, wie brisant diese Machtfülle ist. Als Elon Musk dem Land Starlink verweigerte, weil er der Regierung umgekehrten Rassismus vorwarf, wurde offensichtlich: Der Zugang zur digitalen Welt hängt nicht von staatlicher Planung oder multilateralen Abkommen ab – sondern vom Weltbild eines Milliardärs. Ähnlich kritisch ist die Rolle von Konzernen wie Palantir, deren Datenanalyse-Software weltweit von Regierungen eingesetzt wird. Unternehmen, die in die tiefsten Schichten staatlicher Entscheidungsprozesse eindringen, ohne dabei selbst demokratisch legitimiert zu sein.

Was tun? Die Forderung liegt auf der Hand: kritische Infrastruktur gehört in öffentliche Hand – oder zumindest unter öffentliche Kontrolle. Das betrifft nicht nur Wasserwerke und Stromnetze, sondern auch digitale Infrastrukturen, Kommunikationsplattformen und künstliche Intelligenz. Wer darüber entscheidet, wie Algorithmen Menschen bewerten oder Informationen verbreiten, sollte Rechenschaft ablegen müssen – nicht nur gegenüber Aktionären, sondern gegenüber der Gesellschaft.

Natürlich ist eine komplette Verstaatlichung nicht realistisch. Doch Public-Private-Partnerships könnten ein erster Schritt sein – etwa in Form gemeinsamer Unternehmen mit staatlicher Beteiligung und klaren Auflagen zur Neutralität. Ebenso müssen europäische Alternativen zu US-Plattformen geschaffen werden. Das beginnt bei Satelliten-Internet (wie Eutelsat) und reicht bis zu Cloud-Lösungen, Betriebssystemen und KI-Systemen. Technologische Souveränität ist kein Luxus – sie ist Voraussetzung für Demokratie.

Denn was passiert, wenn wirtschaftliche Interessen plötzlich nicht mehr mit demokratischen Werten kompatibel sind? Wenn Verträge gekündigt, Systeme abgeschaltet oder Informationsflüsse unterbunden werden – nicht aus strategischem Kalkül, sondern aus verletztem Ego oder ideologischem Furor? Die USA haben das bereits erfahren: Nach dem offenen Bruch zwischen Trump und Musk wurden milliardenschwere Verträge infrage gestellt, Raumfahrtprojekte bedroht. Ein einzelner Streit gefährdete die technologische Handlungsfähigkeit einer Supermacht.

Die Abhängigkeit ist beidseitig, gewiss. Aber Europa täte gut daran, daraus zu lernen. Eine neue Souveränitätsbewegung ist überfällig – nicht nur beim Gas, sondern auch im Digitalen. Wenn russisches Gas einst das Symbol für geopolitische Erpressbarkeit war, dann sind es heute Twitter, Starlink und Co., die uns zeigen, wie fragil unsere Systeme geworden sind.

Die Lösung beginnt mit klaren Entscheidungen: Welche Technologien nutzt ein Staat? Welche Anbieter lässt er zu? Welche Daten speichert er – und wo? Und letztlich: Wem vertrauen wir unsere digitale Existenz an?

Die gute Nachricht: Als Verbraucher haben auch Individuen Einfluss. Jeder Wechsel weg von dominanten Plattformen, jede bewusste Kaufentscheidung ist ein kleiner Hebel. Die entscheidende Wende aber wird politisch sein müssen. Denn kritische Infrastruktur gehört dorthin, wo ihre Funktion im Dienste der Allgemeinheit steht – unter die Kontrolle der Demokratie.

  • Was passiert, wenn die USA der Ukraine Starlink abschalten?
    "So ist auch nicht auszuschließen, dass er irgendwann das Starlink-Projekt meistbietend verkauft. Das strategisch wichtige Satellitenkommunikationssystem könnte so in die falschen Hände gelangen, wenn zum Beispiel totalitäre Staaten oder strategische Rivalen auf dieses erdumspannende Netz zugreifen können.

  • Gegenmacht zu Starlink – Telekom hilft beim Aufbau von Iris2
    m Rahmen des von der Europäischen Union (EU) angestoßenen Projekts will das Konsortium „SpaceRise“ 290 Satelliten in niedrigen und mittleren Umlaufbahnen platzieren, um Internet- und Mobilfunkverbindungen zu ermöglichen. Damit will sich Europa unabhängiger von anderen Anbietern wie Starlink des Milliardärs Elon Musk machen.

  • US-Regierung drängt Staaten zur Zulassung von Starlink
    Eine derartige Verquickung staatlicher und privater Interessen hat es seit langem nicht gegeben. Schließlich ist Musk nicht nur Unternehmer, sondern auch einflussreicher Berater der US-Regierung. Rund 300 Millionen US-Dollar hat er in den vergangenen Wahlkampf gesteckt, um Donald Trump ins Amt zu hieven. Als Belohnung erhielt er massiven Einfluss auf die US-Regierung, zerlegt mit seinem DOGE-Gremium staatliche Strukturen, klemmt humanitäre Projekte ab – und versucht dabei sicherzustellen, dass seine eigenen Firmen möglichst viel davon profitieren.”

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