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Internet in Deutschland - Lachhaft langsam und absurd teuer
Das Internet in Deutschland ist im internationalen Vergleich immer noch zu langsam und vor allem zu teuer. Um genau zu sein: mehr als 5x so teuer wie in anderen EU-Ländern. Ein Rant.

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In einer Welt, in der Glasfaser-Internet und flächendeckendes 5G längst zum Standard gehören könnten, wirkt Deutschland digital wie aus der Zeit gefallen. Während Länder wie Taiwan oder Südkorea mit Gigabit-Geschwindigkeiten aufwarten, kämpft man hierzulande vielerorts noch immer mit 16-Mbit-Anschlüssen – wenn überhaupt. Die Ursachen reichen weit über technische Versäumnisse hinaus und offenbaren ein strukturelles Versagen in Infrastrukturpolitik, Marktregulierung und Verbraucherorientierung.
Ein Blick nach Taiwan zeigt, wie es anders geht. Auf der ostasiatischen Inselnation mit rund 23 Millionen Einwohnern verfügt fast jeder Haushalt über schnellen Internetzugang. Für umgerechnet 17 Euro im Monat erhält man dort Glasfaseranschlüsse mit bis zu 300 Mbit/s – eine Geschwindigkeit, für die man in Deutschland oft das Doppelte zahlt und dennoch nur einen Bruchteil der Leistung erhält. Auch die Stabilität überzeugt: Übertragungsabbrüche oder Totalausfälle sind in Taiwan so selten wie Schlaglöcher auf der Autobahn.
Versäumnisse seit 40 Jahren
Doch warum hinkt ausgerechnet die viertgrößte Volkswirtschaft Europas derart hinterher? Ein Grund liegt in der veralteten Infrastruktur. Statt konsequent auf Glasfaser zu setzen, verlässt sich Deutschland noch immer auf ein in die Jahre gekommenes Kupfernetz – oft ergänzt durch sogenannte „Supervectoring“-Technologien, die bestenfalls Flickwerk darstellen. Dabei ist längst bekannt, dass Kupferleitungen physikalische Grenzen haben, insbesondere über längere Strecken.
Ein weiteres Problem ist die Marktstruktur. Der Breitbandausbau wird hierzulande maßgeblich von privatwirtschaftlichen Akteuren vorangetrieben – allen voran der Telekom. Das mag wirtschaftlich sinnvoll erscheinen, hat jedoch fatale Folgen für die Fläche. Denn was sich nicht rentiert, wird nicht gebaut. Ländliche Regionen, Kleinstädte oder abgelegene Gewerbegebiete bleiben oft außen vor, weil der ROI (Return on Investment) für Anbieter zu gering ist. Währenddessen entstehen in Städten zwar Netze – allerdings oft von konkurrierenden Anbietern parallel, was zu absurden Doppelstrukturen und Grabenkämpfen führt, statt Synergien zu nutzen.
Dabei mangelt es nicht an Förderprogrammen. Milliarden stehen bereit, um den Glasfaserausbau zu unterstützen. Doch zwischen Antragstellung, Genehmigungsverfahren und Umsetzung vergeht nicht selten mehr als ein Jahr. Hinzu kommt ein bürokratisches System, das von digitalen Prozessen weiter entfernt ist als ein Satellit von der Erde. Selbst einfache Glasfaseranschlüsse benötigen oft monatelange Vorlaufzeiten – selbst in Metropolen wie Berlin.
Auch der Service ist eine Zumutung. Wer einen neuen Anschluss benötigt, bekommt häufig einen Technikertermin mit mehrwöchigem Vorlauf. Bei Störungen müssen Kundinnen und Kunden nicht selten tagelang auf Behebung warten. Und wenn der Anschluss einmal steht, ist längst nicht garantiert, dass auch die gebuchte Leistung ankommt. Bandbreitenschwankungen und Netzüberlastungen sind an der Tagesordnung.
Wir können nichts, aber kosten mehr
All das führt zu einem paradoxen Zustand: Deutschland ist eines der teuersten Länder für Internet – bei gleichzeitig mäßiger Qualität. In keinem anderen europäischen Land zahlen Nutzerinnen und Nutzer im Schnitt so viel für so wenig Leistung. Der Grund dafür liegt nicht zuletzt in der mangelnden Transparenz und Durchsetzungskraft gegenüber den Anbietern. Zwar gibt es die Bundesnetzagentur, doch deren Möglichkeiten sind begrenzt. Auch die Politik bleibt meist vage, wenn es um verbindliche Ausbauziele oder Mindeststandards geht.
Dabei ist schnelles Internet längst mehr als ein Komfortmerkmal. Es ist kritische Infrastruktur. Ohne stabile, leistungsfähige Netze funktionieren weder moderne Arbeitsmodelle wie Homeoffice noch digitale Bildung oder Telemedizin. Selbst die Industrie 4.0, auf die Deutschland wirtschaftlich so sehr setzt, ist ohne flächendeckendes Highspeed-Internet kaum denkbar. Wer Digitalisierung ernst meint, muss beim Fundament beginnen – und das ist nun einmal die Netzqualität.
Der Blick ins Ausland zeigt, wie es besser laufen kann. In Südkorea, Singapur oder auch in Schweden ist die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser keine Vision, sondern Realität. Dort gilt Internet als Grundrecht – und wird entsprechend behandelt. Der Ausbau wird staatlich koordiniert, bürokratische Hürden sind niedrig, und Anbieter stehen in echtem Wettbewerb um Qualität und Service.
Deutschland hingegen muss sich fragen lassen, ob es überhaupt ein Zielbild hat – und wenn ja, wie ernst es dieses verfolgt. Denn solange der Netzausbau nach dem Prinzip der Marktlogik erfolgt, wird es immer weiße Flecken geben. Und solange Politik nicht bereit ist, Infrastruktur als öffentliches Gut zu begreifen, wird die digitale Spaltung zunehmen.
Es braucht endlich eine ehrliche Debatte über die Rolle des Staates, über verbindliche Ausbauziele, über Mindeststandards für Leistung und Service. Vielleicht sogar über ein Recht auf schnelles Internet. Denn ein Land, das sich „digitale Souveränität“ auf die Fahne schreibt, sollte nicht dabei zusehen, wie seine Bürgerinnen und Bürger beim Netflix-Stream auf den Ladebalken starren – während in Taiwan längst der nächste Glasfaseranschluss gelegt wird.
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Internetkosten: Deutsche zahlen innerhalb der EU am meisten
"In keinem anderen EU-Land ist stationäres Internet so teuer wie in Deutschland. Der deutsche Megabit/s-Preis ist fünfmal höher als der EU-Schnitt. Während Surfer in rund jedem zweiten EU-Land für ein Megabit/s rechnerisch nur wenige Cent bezahlen, fällt hierzulande pro Megabit/s ein Euro an – der mit Abstand höchste Wert innerhalb der Europäischen Union. Die aktuelle Marktanalyse des Vergleichsportals Verivox benennt die Unterschiede und Hintergründe.”So schlecht und teuer ist Internet in Deutschland
”In den USA, immerhin auf Platz 8, gibt es im Schnitt Geschwindigkeiten von rund 220 Mbit/s. Deutschland indes findet sich auf Rang 52 wieder. Hier gibt es durchschnittlich knapp 90 Mbit/s. Damit surfen die Deutschen im Schnitt mit rund 100 Mbit/s weniger als die Holländer (Platz 16) im Internet.”Warmer Kakao statt schnellem WLAN
”In der Metro in Kairo habe ich schon Video-Konferenzen abgehalten, in Südkorea war das Internet vor einem Jahrzehnt schon so schnell, wie es in Deutschland angeblich in zehn Jahren werden soll, in der Pampa neulich in den USA hatte ich exzellenten LTE-Empfang.”
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