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Fahrverbote & Tempolimits - Eine irrationale Diskussion

Alle Jahre wieder wird in Deutschland die Einführung eines Tempolimits diskutiert. In diesem Jahr kommt dann eine Diskussion um mögliche Fahrverbote hinzu. Da fragen sich Sascha und Don: was spräche dagegen, beides einzuführen?

Wenn man einen deutschen Autofahrer innerhalb von Sekunden auf die Palme bringen will, muss man nur das Thema „Tempolimit“ erwähnen. Verkehrsminister Wissing ist die Tage sogar noch einen Schritt weitergegangen und spricht sich für Fahrverbote aus. Das hat er natürlich nicht so ganz freiwillig gemacht und hinter seinen Äußerungen, die in den üblichen Kreisen für erhebliche Aufruhr gesorgt haben, sind rein politisch motiviert. Doch warum reden wir überhaupt über Fahrverbote und was hat das Tempolimit damit zu tun? Und warum führen wir eigentlich nicht beides sofort ein?

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Doch mal langsam - warum wird überhaupt darüber geredet? Das hängt mit den Klimazielen zusammen, die sich Deutschland seit 2019 ins Gesetzbuch geschrieben hat. Demnach müssen alle Sektoren bis zum Jahr 2030 eine bestimme Menge an CO₂ einsparen müssen. Das gilt natürlich auch für den Verkehrssektor. Doch gerade hier sieht es schlecht aus und der Verkehrsbereich wird, Stand jetzt, seine Ziele deutlich verfehlen. Verkehrsminister Wissing hat daher gewarnt, dass die Ziele nur auf zwei Wegen zu erreichen wären. Entweder man ändert die Ziele, bzw. löst die Einteilung in Sektoren auf, oder er müsse Fahrverbote aussprechen. Seine Idee: Die anderen Ministerien sollen mehr sparen und die erreichten Ziele auf den Verkehrssektor umrechnen.

Doch warum kann das Verkehrsministerium seine Ziele nicht erreichen? Das hängt zum großen Teil mit der Autoindustrie zusammen. Der ist in den letzten Jahren nicht gelungen, ihre CO₂-Emissionen einzugrenzen. Stattdessen ist er sogar gestiegen. Laut des Kraftfahrtbundesamtes stieg der durchschnittliche CO₂-Ausstoß aller 2023 zugelassenen Neuwagen um +4,9 Prozent auf 114,9 g/km (2022: 109,6 g/km). Doch wie kommt das, wenn doch immer mehr E-Autos auf der Straße sind?

Die Antwort ist einfach: Fast jeder Dritte neu zugelassene Pkw (30,1 %) war dem Segment der SUVs zuzuordnen. Und gerade die verbrauchen aufgrund ihrer Größe und ihres Gewichts mehr Sprit, als andere Fahrzeuge. Dazu kommt auch, dass zu wenig E-Autos auf den Markt gekommen sind und neue Käufer gefunden haben.

Anders ausgedrückt: weil die Autoindustrie nicht genug Autos anbietet, die weniger statt mehr CO₂ verbrauchen und der Verkehrsminister nichts dagegen unternommen hat, steht er jetzt vor dem Problem, dass er seine CO₂-Ziele nicht einhalten kann. Aber Schuld daran sind natürlich immer andere und andere sollen es per Fahrverbot und Tempolimit ausbaden.

Doch was wäre eigentlich so schlimm an einem Tempolimit? Neu wären die ja nicht. Während der Ölkrise im Jahr 1973 gab es das schon mal, allerdings per Gesetz auf wenige Monate begrenzt. Beschwert hat sich damals kaum jemand. Mein Vater, ein absoluter Autofan und damals Hobbyrennfahrer, verkaufte sogar seinen Porsche und legte sich einen Renault R4 zu. Dazu gab es, für ein paar Wochenenden, komplette Fahrverbote am Sonntag. Weil das Öl knapp gehalten wurde, hatte man keine andere Möglichkeit.

51 Jahre später stehen wir wieder vor einem ähnlichen Problem. Dieses Mal geht es aber nicht nur darum, einer versuchten Erpressung der OPEC-Länder zu entkommen, sondern es geht um das Wohl der Menschheit.

Und die Lage ist schlecht. Der März war der zehnte Monat in Folge, der alle Rekorde gebrochen hat. Weltweit sehen wir die Auswirkungen der Klimaveränderung. In Spanien ruft man schon seit Februar dazu, Wasser zu sparen, weil es nicht genug Regen gab. In Südostasien gab es eine nie gewesene Hitzewelle mit Temperaturen weit über 40 Grad. Die Beispiele sind zahllos, der Klimawandel verstärkt sich und wir reden darüber, ob ein Tempolimit die Demokratie und unsere Freiheit gefährdet?

Vor diesem Hintergrund scheint es geradezu skandalös, dass das Verkehrsministerium keine politischen Schritte unternommen hat, um den CO₂-Ausstoß zu reduzieren. Es ist ja auch nicht so, dass die deutsche Autoindustrie bankrottgehen würde, wenn man hierzulande ein Tempolimit einführt. Porsche hat 2023 rund 320.000 Fahrzeuge verkauft. Gerade mal 10 Prozent (32.400) fanden hierzulande einen neuen Besitzer. Also verkauft Porsche 90 Prozent seiner Fahrzeuge in Ländern, in denen es ein Tempolimit gibt. Und das Unternehmen ist weit davon entfernt, Konkurs anzumelden.

Und neben den ökologischen Faktoren gibt es auch die Frage nach der Sicherheit. Es ist kein Geheimnis, dass ein Tempolimit auch für weniger Unfälle sorgt. Auch fällt die Zahl der Verletzungsopfer auf Autobahnen, wenn es ein Tempolimit gibt. Rund 11 Prozent aller tödlichen Unfälle passieren auf Autobahnen. 314 Menschen starben im Jahr 2022 auf den Autobahnen, das entspricht dem Absturz zweier voll besetzter Airbus A320 Neo pro Jahr. Sicherlich würde die Bevölkerung von der Regierung verlangen, dass man etwas unternimmt, wenn pro Jahr zwei Flugzeuge in Deutschland abstürzen würden.

Es gibt also genug Gründe für die Einführung eines Tempolimits, aber wie ist das mit Fahrverboten?

Das dürfte allein aus wirtschaftlichen Gründen schon schwierig werden. Seit 1973 hat sich einiges getan, allein die Zahl der Autos hat sich von 17 Millionen auf 49 Millionen erhöht. Parallel wurde vor allem der Bahnverkehr zurückgefahren und ganze Ortschaften von regelmäßigen Zugverbindungen abgetrennt. Dazu kommt auch: Deutschland ist heute ein Transitland und stellt die wichtigste Verbindung zwischen dem Osten und dem Westen Europas dar. Allein aus logistischen Gründen ist ein Fahrverbot am gesamten Wochenende in Deutschland nicht einführbar.

Räumt man also den vom Minister aufgewühlten populistischen Staub beiseite, bleibt am Ende nur die Frage: Warum haben wir eigentlich nicht schon längst ein Tempolimit?

  • Fahrverbote am Wochenende: „Billiger Taschenspielertrick“
    "Inwiefern Fahrverbote dazu beitragen könnten, die Sektorziele für den Verkehr zu erfüllen, war zunächst nicht klar. Für dieses Jahr müssten 22 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente im Verkehr eingespart werden, um die Ziele zu erreichen. Auf Anfrage der Wirtschaftswoche schrieb das Verkehrsministerium, dass man sich nicht auf Details einlassen wolle.

  • Warum Wissing Fahrverbote ins Spiel bringt
    „Aus Wissings Sicht könnte es wieder drohen, wenn man sich weiter den CO2-Verbrauch von einzelnen Bundesministerien anschaut und nicht von allen Bereichen zusammen, so wie es das neue Klimaschutzgesetz vorsieht. Das wäre nämlich gut für Wissings Ministerium: Seine eher schlechte Klimabilanz würde dann mit denen der anderen Bereiche verrechnet werden.

  • Wochenend-Fahrverbote – nur für Verbrenner …
    Aber um uns klarzumachen, dass die schadenfreie Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre für CO₂ genauso wenig unendlich ist, wie die Menge an Erdöl in der Erdkruste, könnten Fahrverbote vielleicht ganz hilfreich sein. Vielleicht wird Volker Wissing ja als Nächstes welche nur für Verbrenner vorschlagen?.“

  • Wie der Verkehrssektor seine Klimaziele erreichen kann – ohne Fahrverbote

    “Mit 120 Kilometer pro Stunde auf Bundesautobahnen könnten die Treibhausgasemissionen jährlich nach Angaben des Umweltbundesamts um 4,2 Prozent oder rund 6,7 Millionen Tonnen ⁠CO2⁠-Äquivalente verringert werden. Wenn zusätzlich Tempo 80 auf Landstraßen gelten würde, wäre demnach eine Minderung bis zu acht Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr möglich.”

  • Ist das ernsthaft Ihr Niveau, Herr Wissing?

    “Für gesetzeskonformen Klimaschutz im Verkehr braucht es keine Fünftagewoche auf der Autobahn. Experten kennen Dutzende Maßnahmen, mit denen Wissing seit seinem Amtsantritt vor gut zwei Jahren den CO2-Ausstoß im Verkehr hätte so schnell senken können, dass er heute kaum ein Problem hätte – und mit denen er auch jetzt sofort reagieren könnte.”

Infografik der Woche

KaterBegemot, CC BY-SA 3.0; Erstveröffentlichung: 18.10.19